1 Kor 12,4-13
Predigt: Pfarrer Thomas Pfeifroth
Es gibt in letzter Zeit Momente in meinem Leben, liebe Geschwister in Christus, da denke ich mir – das kann doch nicht wahr sein: Du bist Pfarrer von St. Ludwig. Dir wurde die Verantwortung für diese Gemeinde anvertraut. 34 Jahre Franziskaner und nun du mit dem Pfarrteam.
Unbekannt war mir St. Ludwig nicht. Als ich nach massiven leidvollen Erfahrungen mit der Kirche und Austritt aus derselben meine Sehnsucht nach Gott im Buddhismus und dann in der evangelischen Kirche suchte, als ich schließlich wieder Zugang zum Transzendenten in der mir seit Kindesbeinen an doch so vertrauten katholischen Kirche suchte, da empfahl man mir St. Ludwig. Da – so wurde mir gesagt, gibt es auch Platz für dich. Hier in St. Ludwig lernte ich wieder in Gemeinschaft beten. Hier lernte ich nicht nur wieder das Beten in Gemeinschaft – auch das gemeinsame Lesen der Bibel, den Austausch von Gedanken und Emotionen.
Eine Gemeinde – so konnte ich von Neuem und vertieft erfahren – ist ein kostbarer Schatz.
Gemeinde, das ist ein Netz von Beziehungen. Ich kann die Fäden lose knüpfen oder einer der zentralen Kontenpunkte sein. Ich kann mich trennen, wissend, dass das nicht endgültig sein muss.
St. Ludwig ist ein kostbarer Schatz. Der Fragmentierung unseres Glaubenslebens gerade für die Jüngsten wirken ihre vielfältigen Institutionen entgegen. Ein Kind kann hier eine der zwei Kitas besuchen; wenn es der entwachsen ist, die kath. Grundschule. Ein Hort mit über 220 Plätzen bietet außerschulische Aktivitäten an. Kommunion- und Firmkurs begleiten und prägen das weitere Leben usw. und so fort – bis am Ende des Lebens schließlich die Toten bestattet und die Trauernden begleitet werden.
Das horizontale Netzwerk zwischen den Menschen in ihren unterschiedlichen Lebenssituationen ist verbunden mit einem vertikalen. Alle versuchen, sich für das Transzendente zu öffnen. Wir kooperieren mit dem Heiligen Geist und sind damit wie ein Leib mit seinen vielen Gliedern – so die Analogie des Paulus in der eben gehörten Lesung. Es ist ein ungemein befreiendes Bild: Wir müssen nicht alle gleich sein! Im Gegenteil, gerade in unserer Unterschiedlichkeit bauen wir Gemeinde, bauen wir den Leib Christi auf. Es gibt verschiedene Gnadengaben in dem einen Geist.
Die eine zeigt den Kindern in der Kita etwas von der Liebe Gottes, der andere tröstet Erwachsene im Seelsorgegespräch nach einem gescheiterten Lebensentwurf. Die andere handelt als Kirchenvorstand mit dem Erzbischöflichen Ordinariat Verträge aus, die andere kümmert sich um die telefonische Anmeldung zum Gottesdienst. Der eine legt die Schrift aus, die andere engagiert sich im Weltladen A Janela. Jeder von uns hat seine von Gott gegebenen Eigenarten und Stärken zum Nutzen des Ganzen.
Wir sollten uns, liebe Schwestern und Brüder, als Empfänger dieser Gaben besser begreifen und aufrichtiger achten. Denn der Heilige Geist vertraut das, was er dem Einzelnen gibt, dem Glauben und der Liebe der anderen an. Glauben wir einander und achten wir einander, dann ehren wir so den Heiligen Geist mit seinen vielfältigen Gaben.
Es ist eine gute geistliche Übung, immer wieder im Alltag zu fragen: Auf welche Weise willst du, Heiliger Geist, mit mir kooperieren? Welche Sorge soll durch dich zur Fürsorge werden? Welche Gaben sollen durch dich zu Aufgaben werden?
Wir müssen nichts produzieren! Es genügt das schlichte Gebet: Komm, Heiliger Geist!
So vielfältig der Heilige Geist auch in Erscheinung treten mag, so ist doch das eine, gemeinsame Merkmal, dass er uns dahin führt, was er selbst ist: die Liebe! Es mag vielleicht intellektuell einfach klingen und ist doch eine gewaltige Botschaft: Der Heilige Geist befreit uns, indem er uns erfüllt. Er erfüllt uns mit dem, was er ist: mit Liebe. Eben das ist seine Weise, uns von unserer Selbstbezüglichkeit, dem ewigen Kreisen um sich selbst, zu befreien. Es geschieht nicht, indem er unser Egoistisch-Sein-Wollen verbietet, sondern indem er uns mit der Schönheit der Gottesliebe erfüllt.
Bei Paulus heißt es: Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unseren Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist. Um diese Erfahrung können wir bitten. Die Frage ist nicht: Wie sehr kann ich mich verändern? sondern: Bin ich wirklich bereit, darum zu bitten?
Es sind doch oft nur kurze Momente der Stille und des Innehaltens im alltäglichen Getriebe, die uns erneut beatmen können, wenn wir uns dieser heiligen Gegenwart anvertrauen. Es bedarf nur der einfachen Bitte: Komm, Heiliger Geist!
Für unsere Gemeinde St. Ludwig haben wir als Pfarrteam die Vision, liebe Schwestern und Brüder, dass jeder die Gaben des Heiligen Geistes seiner Schwester und seines Bruders achtet und ehrt. Dass wir dem anderen vertrauen und aus diesem Vertrauen auch Konflikte ehrlich ansprechen können.
Dass wir wirklich verinnerlicht haben, dass der Heilige Geist weht, wo er will, dass wir ihn als Gemeinde nicht exklusiv besitzen, sondern ihn ebenso bei unserer muslimischen Nachbarin oder dem glaubensfernen Arbeitskollegen wahrnehmen können.
Als Pfarrteam haben wir eine Vision von St. Ludwig, in der wir – erfüllt vom Heiligen Geist – als Gemeinschaft unsere Selbstbezüglichkeit aufgeben und wirklich Sorge tragen für unseren Stadtteil; und unsere Gaben als Aufgaben für andere begreifen. Eine Gemeinschaft, in der jeder den Heiligen Geist als Kooperationspartner an seiner Seite weiß und sich in der Unterscheidung der Geister übt.
Denn es gibt ja auch einen unguten Geist, ich nenne ihn mal Kontrollgeist, der das charismatische Leben zerstört. Er ernährt sich von Angst und Macht. Wir verletzen einander nicht nur durch Rechthaberei, sondern oft auch durch unsere Angst und unsere Scheu vor Konflikten und Meinungsverschiedenheiten. Zu lieben bedeutet darum manchmal auch, Angst zu überwinden und die eigene Macht in die Schranken zu weisen. Denn charismatisches Leben in seiner Unverfügbarkeit und Verletzbarkeit braucht Ermutigung und Vertrauen.
Gott gibt uns alle Charismen, er gibt uns all die Fülle der himmlischen Gaben. Eines aber wird er nicht an unser statt tun: Es liegt an uns, dass wir die Kräfte und Gnadengaben unter uns erkennen, sie ermöglichen, ihnen Raum geben, sie wollen und begrüßen, dass wir ihnen erlauben, Fehler zu machen, dass wir Ihnen Zeit geben sich zu riskieren und sich zu entwickeln, dass wir ihnen auch unsere Hoffnung geben. Mit einem Wort: Es liegt an uns, sie zu schützen und zu lieben. Darum will ich nicht in der selbstbezogenen Frage verweilen, was Gott mir geben will. Denn manchmal wird Gott sagen: Es liegt an dir, das Charisma in deinem Bruder und deiner Schwester zu erkennen. Du sollst durch deine Liebe ins Leben rufen, was ich Ihnen geben will. Amen.
>> Predigt zur Einführung des neuen Pfarrtreams_27.09.2020 (pdf)