„Tradition ist eine Laterne, der Dumme hält sich an ihr fest, dem Klugen leuchtet sie den Weg.“

Georg Bernard Shaw

Nach einem Jahr von Herrn Gladziwa als Kirchenmusiker an St. Ludwig gilt es nun Zwischenbilanz zu ziehen und Weichen für eine Neuorientierung der Kirchenmusik zu geben. Ein besonderes Jahr war dies zugleich, wenn man bedenkt, dass nun auch die Coronapandemie fast ein Jahr in Deutschland fester Bestandteil unseres Alltags geworden ist. Insbesondere durch die pandemische Situation zeigte sich, dass eine Neuorientierung der Kirchenmusik an St. Ludwig ansteht.

Kardinal Ratzinger schreibt in seiner Schrift „Der Geist der Liturgie“, dass die kirchliche Kultur stets nach dem Höchsten zu streben habe und auch so maßgebend für die Kultur in der gesamten Gesellschaft sein könne. Die Kirchenväter bezeichnen die Schönheit als ersten Weg zu Gott. Anselm Grün drückte es einmal so aus: „Schönheit ist für mich der Spiegel Gottes. In der Schönheit erkenne ich den Glanz Gottes.“

Dies ist Grundlage dabei, die Kirchenmusik an St. Ludwig nochmal strukturell zu untermauern, damit es fundiert in die Zukunft gehen kann. Eine Profilschärfung der bestehenden Ensembles, wie auch eine bewusste Entscheidung für neue Wege erscheint hierfür zentrales Element zu sein.

Die Kirchenmusik eint Menschen unterschiedlichen Alters, Herkunft, Glaubenshintergrund und hat Anteil an allen kirchlichen Grundvollzügen: leiturgía, diakonía, martyría und der koinonia. Insbesondere durch die Aussetzung des Gemeindegesanges wurde auch nochmal deutlich, dass sich tätige Teilnahme an der Liturgie für die Gemeinde nicht allein durch das Mitsingen ergibt. Hier gibt die Pandemie die Gelegenheit, nochmal grundsätzlich eine Schräglage in der Liturgie zu erkennen. Die Kirchenmusik ist nicht allein ein funktionales Element, welches ein Gemeinschaftsgefühl herstellen vermag.

Somit ist für Ratzinger klar: „Es gibt nun einmal nicht wenige Menschen, die besser „mit dem Herzen“ als „mit dem Munde“ zu singen vermögen, aber denen das Singen derer, denen es auch mit dem Mund gegeben ist, wahrhaft das Herz singen machen kann, so daß sie in jenen auch gleichsam selber singen und das dankende Hören wie das Singen der Sänger zusammen ein einziges Gotteslob werden. Muß man die einen unbedingt zwingen, dort zu singen, wo sie es nicht können und dadurch den anderen das Herz stumm machen? Das sagt nichts gegen den Gesang des ganzen gläubigen Volkes, der seine unumstößliche Funktion in der Kirche hat, aber es sagt alles gegen eine Ausschließlichkeit, die sich weder von der Überlieferung noch von der Sache rechtfertigen lässt.“ (Ratzinger: Gloria Deo – Pax hominibus. Festschrift zum 100jährigen Bestehen der Kirchenmusikschule Regensburg, Bonn 1974).

Die kirchlichen Chorgruppen und Kirchenkonzerte sind im deutschsprachigen Raum eine zentrale Größe in der Kultur. Der Schlussbericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ vom Dezember 2007 stellt fest: „Die christlichen Kirchen Deutschlands tragen mit ihren Chören und Musikensembles […] wesentlich zum kulturellen Leben in unserem Land bei. Sie gehören zu den zentralen kulturpolitischen Akteuren Deutschlands.“

Grundlegend steht die Kirchenmusik, wie sie in unserem Kulturraum geprägt ist, im Zwiespalt zwischen höchsten Anspruch und missionarischem Dienst an den Sängerinnen und Sänger. In diesem Spannungsfeld zwischen Gemeinschaftsgefühl und Anspruch gilt es abzuwägen.

Hierzu erscheint es unumgänglich, dass eine stärker personalisierte Schulung die Grundlage für eine Anhebung der Qualität sein muss.
In Zukunft wird auch im Kirchenchor das Prinzip von individueller Betreuung und großer Chorgruppe nicht im Widerspruch stehen, sondern als Voraussetzung für die Chorarbeit angesehen.

Zentral für die Chorensembles ist die Gestaltung der Liturgie in all ihren Facetten, von Taizé-Gesängen bis zur großen Orchestermesse in St. Ludwig und dann Konzerte als Ort der Verkündigung und Glaubensvermittlung, die den Blick auf die kulturdiakonische Aufgabe von Kirche weiten können. Durch diese Vergewisserung gehen wir neue Wege, die auf Tradition fußen und in die Zukunft zeigen.

„Das rechte Maß, nicht die Mittelmäßigkeit; Aktion, nicht Passivität.“

Abtprimas Notker Wolf

Ein Anspruch, den es umzusetzen gilt!