Es gibt ein falsches christliches Ideal,
das die Psychologie ‚Helfersyndrom‘ nennt:
„Sich bis zur eigenen Erschöpfung seinen Mitmenschen widmen.“

Jesus hatte kein Helfersyndrom.

Dieser Text berichtet uns von den Jüngern, die vom Predigen zurückkehrten.
Jesus treibt sie nicht von neuem hinaus, sondern sagt:
„Kommt nur her an einen einsamen Ort und ruht euch ein wenig aus.“
Jesus stand nicht unter dem Druck, alle Welt heilen und speisen zu müssen.
Er fühlte sich nicht verpflichtet, alle Menschen dieser Welt zu bekehren.
Er hat uns nicht aufgerufen, uns unruhig und rastlos für den Nächsten einzusetzen.
Er hat nicht alle Kranken geheilt.
Er hat nicht alle Leidenden getröstet.

Er hat uns gelehrt, uns auch Zeit zu nehmen, um allein zu sein.
Zweimal verwendet Markus in diesem kurzen Abschnitt
den Ausdruck »um allein zu sein«.
Unser Leben in Partnerschaft und in Gemeinschaft wird nur fruchtbar,
wenn es in ausgewogener Weise

zwischen Abgrenzung und Verschmelzung,
zwischen Ich und Du,
zwischen Stille und Wort,
zwischen Einkehr und Hinaustreten,
zwischen Arbeit und Ruhe

Gestalt annehmen kann.

Nur in der Stille wird uns auf die entscheidenden Fragen unseres Lebens
Antwort gegeben.
Wer bin ich wirklich?
Wer ist es, der durch diese Augen schaut?
Wer ist es, der durch diese Ohren hört?

Wir laufen Gefahr, von außen gelebt zu werden.
Am Ende wissen wir nicht mehr,
für was all unsere Sorge, unser Rennen und Schaffen gut sein soll.

Nur in der Stille können wir in uns hineinhorchen.
Es ist nichts wichtiger, als das Leben selber zu spüren,
und das heißt letztlich,
Gott zu spüren.

(Williges Jäger)