2. Sonntag der Fastenzeit  – Mt 17,1-9

Liebe Schwestern und Brüder,

in der Tragikomödie „Sein letztes Rennen“ spielt Dieter Hallervorden den alt gewordenen, Langstreckenläufer und Olympiasieger Paul Averhoff. Um seiner kranken Frau Willen zieht er mit ihr in ein Altenheim. Dem Seniorenprogramm dort kann er allerdings nichts abgewinnen: Kastanienmännchen basteln! Deshalb beschließt er noch einmal am Berlin Marathon teilzunehmen. Seine Frau soll ihn wie früher coachen. All das löst einiges an Durcheinander aus. Darauf ist das Heim nicht eingestellt.

Ich mag besonders eine Szene kurz vor Schluss: Wenige Tage vor dem Rennen stirbt Averhoffs Frau. Dennoch startet er. Die Strapazen des Rennens überanstrengen ihn so sehr, dass das Rennen viele Stunden für ihn dauert. Beim Einlauf durch den Tunnel ins weite Rund des Berliner Olympiastadion sieht er alles nur noch in gleißendem Licht. Doch in seinem Kopf hört er die Stimme seiner Frau, die ihm leise ins Ohr flüstert: Paul, ich liebe dich. Er läuft durch den Tunnel ins Licht! – Und! Na ja. Er kommt dann wirklich ins Ziel.

Berührend, vielleicht auch ein wenig kitschig? Mag sein.

Aber die Erfahrung, die da beschrieben wird, ist möglicherweise dem einen oder der anderen von Ihnen nicht fremd; vor allem allen, die schon mal in körperlichen oder psychischen Extremsituationen waren.

Es gibt Phasen, da findet das Leben nur noch in eingeschränkter Perspektive statt. Menschen in solchen Situationen kann man daran erkennen: Aller Glanz ist in den Augen erloschen. Und dann werden auf einmal gute Worte und Zusprüche ganz wichtig. Vielleicht sogar aus längst vergangener Zeit. Das sind innere Worte, die leben lassen.

Im Evangelium heute begegnen wir auch dem Licht und dem Wort, dem Glanz und der Wahrheit. Es ist ein Geschichte, die für alle geschrieben ist, die Extremsituationen durchlaufen.

Denn: Schaue ich auf das Umfeld dieses Evangeliums, wird deutlich, wie stark Jesus selber eine Extremsituation durchlebte, als er auf diesen Berg stieg: Grundsätzlich ist er bei Matthäus der Messias, der in die Entscheidung stellt. Allerdings ist zu diesem Zeitpunkt im Evangelium schon klar, dass die Kritik und die Ablehnung heftig ist. Jesu Jünger sind zwar willig aber schwach und eher mittelmäßig. Im Anschluss an die große Speisung, haben sie offenbar noch immer nichts verstanden: Bei der Überfahrt über den See von Genesareth ist ihr größtes Problem, dass sie die Pausenbrote vergessen haben. Jesus ist frustriert.

Und er beginnt zu ahnen, dass es für ihn tödlich enden wird. Unmittelbar vor der Verklärung spricht er es aus: Sie werden mich umbringen!

Menschlich gesehen stelle ich es mir so vor: Jesus selber braucht angesichts all dessen selber Trost. In dem ganzen menschlich-allzu menschlichen Durcheinander ist es auch für ihn mühsam den Überblick zu behalten und die rechte Einstellung zu seiner Mission zu finden. Klar, Jesus war auch Gott. Aber für den Menschen Jesus ist es sicherlich eine Herausforderung gewesen sich selber treu zu bleiben.

So gesehen ist die Wahl des Ortes und die himmlische Gesellschaft durch Mose und Elija nachvollziehbar. Es hat auch Jesus sicherlich gut getan jemanden zu haben, mit dem er sich über seine Sorgen austauschen konnte. Bei Matthäus wird nicht berichtet, worüber sich Jesus mit ihnen unterhalten hat. Bei Lukas heißt es: Es ging um sein bevorstehendes Ende, das sich in Jerusalem erfüllen sollte.

Mose und Elija kannten das: Sie waren in besonderer Nähe zu Gott, hatten schwierige Aufträge bekommen und dadurch massive, lebensbedrohliche Schwierigkeiten erlebt. Beide hatten auch ihre „Bergerfahrungen“.

Doch die Geschichte hat eben einen ganz besonderen Glanz, ist lichtdurchflutet. In biblischer Sprache bedeutet dieses Licht zweierlei. Einmal wird deutlich: In diesem Moment sieht Jesus selber auch Gott von Angesicht zu Angesicht. Und Gott durchstrahlt ihn. Darin ähnelt er dem Mose auf dem Horeb, dessen Gesicht zu leuchten beginnt. Nur bei Jesus ist es intensiver.

Dann erinnert diese Geschichte an die Zusage aus dem Buch Daniel, wo es heißt: „Die Verständigen werden glänzen wie der Glanz der Himmelsfeste und die Männer, die Viele zum rechten Tun geführt haben, wie die Sterne für immer und ewig.“ (Vgl. Dan 12,3)

Jesus wird ermutigt, indem er den göttlichen Glanz von Ostern auf den Weg ins Leiden mitnimmt.

Liebe Schwestern und Brüder!

Dieses Evangelium ist von Menschen nach Ostern erzählt und etwas später aufgeschrieben worden. Also von Jesu Jüngern, die selber die Extremsituation der Hinrichtung Jesu und des eigenen kompletten Versagens erlebt hatten. Und sie haben die Erfahrung gemacht, dass Gott selber in ihren eigenen Augen diesen Osterglanz durch Jesu Auferstehung erneuert hat.

Die Himmelsstimme auf dem Berg der Verklärung war für Petrus, Johannes und Jakobus das mutmachende Wort: Bleibt Jesus treu und ihre werdet euch selber treu bleiben. Nach Ostern stellt sich heraus: Es wurde für sie zum inneren, Mut machenden Wort, dass ihnen half ihre eigene Mission, ihren eigenen Lauf zu bewältigen.

Darin sehe ich den Anknüpfungspunkt für uns in der Geschichte vom Berg der Verklärung. Sie richtet sich an alle, die genau diese Erfahrung machen:

Es sind alle jene, die den Mut haben die Wahrheit zu sagen, dass etwas nicht stimmt oder so nicht weitergehen kann. Oder die sagen, dass dieses oder dieses Verhalten jetzt besser ist.

Und aus dieser Überzeugung heraus treffen sie Entscheidungen und setzen sie um. Deswegen stehen sie häufig alleine im Gegenwind, weil das die anderen, die unverbindlich in den Tag träumen in Frage stellt. Die werden gezwungen sich auf einmal zu positionieren.

Adressaten dieses Evangeliums sind automatisch diejenigen, die mit einem Paradox leben müssen: In unseren Tagen wird es zumeist begrüßt, wenn jemand eine Entscheidung trifft: „Endlich trifft mal wer eine Entscheidung!“ Nur, bleiben nicht selten die Entscheider doch häufig unbeliebt. Denn: eine Entscheidung scheidet immer in solche, die die Entscheidung gutheißen und jene, die sie ablehnen.

Dann mag es gut sein wie Jesus etwas Abstand zu nehmen, sich wenige, aber gute Gesprächspartner zu suchen und die inneren Worte, die leben lassen erneut zu erinnern. Nicht zuletzt jene Zusage Gottes in und durch Jesus: Du bist mein geliebtes Kind, an dem ich mein Gefallen gefunden habe. Und der Glanz kehrt in die Augen zurück, damit ich mir selber und meinem Leben treu zu bleiben kann.

Liebe Schwestern und Brüder,

in Jesus erneuert Gott immer wieder den österlichen Glanz in den Augen. Er lehrt uns der Wahrheit und uns selber treu zu bleiben. Höre auf seinen inneren Zuspruch der Gotteskindschaft, den er dir immer wieder zuflüstert. Höre, entscheide und handle und du wirst selber glänzen wie der Glanz des Himmels.

Der Film „Sein letztes Rennen“ hat ein schönes Schlussbild. Paul Averhoff kommt nach dem Tunnel im Olympiastadion an, völlig ausgepumpt. Jenseits der Ziellinie wirft man ihm eine Rettungsdecke um, also eine silbern glänzende, Folie gegen Unterkühlung. Und er strahlt glücklich.

Vielleicht kennen Sie das: Beim langen Wandern oder Laufen gehen häufig Melodien im Rhythmus des Atems mit:

In diesem Sinn können ja Melodie und Text des Motivliedes unserer Fastenpredigtreihe in der kommenden Ihre Begleiter sein; nicht zuletzt die dritte Strophe. Sie fasst es gut zusammen, was ich ihnen sagen wollte:

„Ach, bleib mit deinem Glanze bei uns, du wertes Licht; dein Wahrheit uns umschanze, damit wir irren nicht.“

Amen

P. Damian Bieger OFM