„Du bist ein Ton in Gottes Melodie“ – dieses Lied sangen wir bei der Erstkommunion 2014. Bei der Vorbereitung wurde geprobt: Martina Schulte saß mit der Gitarre mit uns im Kreis: „Ihr müsst den Mund weit aufmachen, damit die Töne auch rauskommen!“, sagte sie. Die Kinder sangen und sangen immer besser mit, laute und fröhliche Töne. Martina Schulte schaute schließlich sehr zufrieden in die Runde. Das Lied, das Martina uns beibrachte und wir noch oft sangen, klingt bis heute in mir nach. Vielleicht kenn Ihr es?

„Du bist ein Ton in Gottes Melodie,
ein schöner Ton in seiner Symphonie,
ob Dur ob Moll, ob leise oder laut,
mach Dich mit Gottes Melodie vertraut.“

Martina hat unsere Kinder mit Gottes Melodie vertraut gemacht, sie hat uns als Familien in der religiösen Erziehung begleitet, sie hat uns immer wieder „eingeladen zum Fest des Glaubens“. Seit 2009 wirkte sie als Gemeindereferentin hier in Sankt Ludwig im Team mit den Franziskanerpatres. Die Kitakinder nahm sie am „Offenen Donnerstag“ mit in diese Kirche und ließ sie als Kirchendetektive den Raum und die Symbole unseres Glaubens erkunden. Jedes Jahr begleitete sie mit einem Team von Katechetinnen die Kommunionkinder. An zahllosen Sonntagen organisierte sie das Kirchplatzcafé für uns und verkaufte nicht selten selbstgekochte Marmelade. Alle Tätigkeiten und Aufgaben will und kann ich hier nicht auflisten. Aber bestimmt habt Ihr Eure ganz eigene Erinnerung an sie? Bestimmt habt Ihr ganz eigene Bilder, die Euch in den Sinn kommen, wenn Ihr an sie zurückdenkt?

Ich sehe sie zum Beispiel mit einem Rollwagen unermüdlich Sachen von A nach B transportieren, stets einen Schlüssel in der Hand. Jedes Jahr plante und organisierte sie „generalstabsmäßig“ die Sternsingeraktion, die sie stets über mehrere Tage zwischen Kronen, Gewändern und Gruppenzuteilungen an den Thomas Morus Saal band, wo sie zudem mittags noch Nudeln mit Tomatensauce für alle durchgefrorenen König_innen servierte. Ich sehe sie beim Gemeindefest, stets geschäftig oder im Gespräch – oder beides. Ich sehe Martina an Sankt Martin, mit selbstgebastelten Laternen und frisch gebackenen Martinsgänsen. Ich sehe sie lange Reihen von Kindern segnen bei der Einschulungsfeier. Ich sehe sie mit dem Mikrofon durch die Reihen gehen beim Familiengottesdienst, immer akkurat gekleidet. Ich sehe sie „die Kinder mit den gelben Zetteln“ zum Kyrie nach vorne aufrufen. Ich sehe sie stets sehr aufrecht und die Schulklassen auch mal mahnen zu mehr Disziplin und zu Ehrfurcht vor dem Heiligen.

Viele Kinder hat sie das „Vater unser“ gelehrt. (Den Satz: „Dein Wille geschehe“, z. B.) Viele das Glaubensbekenntnis. (Den Satz: „Ich glaube an die Auferstehung von den Toten und das ewige Leben.“) Viele die Antwortsätze in der Liturgie. („Geheimnis des Glaubens – im Tod ist das Leben.“) Ich höre sie die biblischen Geschichten erklären, auch im Rahmen der religiösen Kinderwochen (RKW). Und natürlich sehe ich sie Liedzettel verteilen, Liedzettel einsammeln, Liedzettel kopieren – und Gitarre spielen! Ich sehe sie die Kommunion reichen. Und ich sehe sie auch das Aschekreuz auf die Stirn zeichnen, zusammen mit den Lehrer_innen von Sankt Ludwig. […]

Mir fällt unsere letzte Begegnung ein, bei der sie immer noch voller Hoffnung war, ihre schwere Krankheit besiegen zu können. Trotzdem sie schon sehr litt, zeigte sie sich noch immer optimistisch und wahrte – wie stets – Haltung. Ihr wirklich nahe zu kommen war schwer. Wie sehr haben wir ihr gewünscht, dass sie es schafft. Unser Gebet hat sie begleitet. Doch leider musste sie schon gehen. Nur wenige aus der Gemeinde konnten an ihrer Bestattung teilnehmen.  Es blieben uns ein Kondolenzbuch und Kerzen. Es bleibt uns ein Besuch auf dem Friedhof in Steglitz, Abteilung 48, nahe der Kapelle.  Es bleibt uns ein stilles Gedenken und es bleibt uns ein Vermissen.

Doch das genügt nicht, denn Martina Schulte hat uns mehr hinterlassen! Mit ihrem Leben hat sie Zeugnis gegeben von ihrer Hoffnung auf Gott. Sie hat nicht nur über Gott gesprochen, sondern auf ihn vertraut, auf Gott gesetzt und sich von ihm getragen gewusst. Mit ihrem Einsatz in unserer Gemeinde, mit ihrem Einsatz, in ihren vielen kleinen und großen Taten, in ihren Gesprächen mit uns, diente sie Gott. Sie konnte unsere Kinder das Beten lehren, weil sie selbst zu beten konnte. Sie war überzeugend und konnte andere anstecken, weil ihr die Botschaft Jesu wichtig war und weil sie ihm in dem, was sie tat, nachfolgte.  Sie war zugewandt und es war ihr wichtig, dass wir eine Gemeinschaft sind, in der wir füreinander und für andere da sind.  Und sie hat daran geglaubt, das Auferstehung geschieht. Dass Gott die Macht des Todes bricht, dass er alle Tränen abwischen wird, dass unsere Namen eingeschrieben sind bei ihm.

Liebe Martina Schulte, wir danken Dir für alle Spuren, die Du bei uns hinterlässt und wir hoffen, dass Du nun mit allen Engeln und Heiligen aufgehoben bist bei dem, der Deinem Leben Sinn verliehen hat. Du bist ein Ton in Gottes Melodie, liebe Martina Schulte, ein schöner Ton in seiner Symphonie: Und wenn wir miteinander hier im Gottesdienst singen, wollen wir uns mit Dir und allen, die uns vorausgegangen sind, verbunden wissen zum Lobe Gottes. Du hast uns mit Gottes Melodie vertraut gemacht und so wollen wir nicht trauern wie die, die ohne Hoffnung sind, sondern immer wieder einstimmen in den Gesang zur Ehre dessen, der uns das Leben schenkt, der uns unseren Weg führt und in dem wir verbunden sind über den Tod hinaus durch Jesus Christus, Amen.

(Sprechtext von Anja Middelbeck-Varwick nach der Kommunionausteilung im Rahmen des Gottesdienstes am 15. Mai 2021 zum Jahresgedenken.)